Am 12. Juli 2023 hat der erste Digital Health Data Space des Instituts für digitale Gesundheitsdaten RLP in Mainz stattgefunden. Die Veranstaltung gab Raum zum Austausch von Ideen und neuen Projekten in den Bereichen Digital Health, KI und Big Data. Etwa 180 Gäste kamen mit dem Ziel zusammen, die Digitalisierung des Gesundheitswesens und insbesondere eine effiziente Nutzung von Gesundheitsdaten voranzubringen. Dazu machten 14 Referenten und sechs Aussteller auf aktuelle Herausforderungen aufmerksam, zeigten gleichzeitig aber auch Lösungsansätze für Strukturen, Datenschutz und KI-Anwendungen auf. Die Referenten und Teilnehmer waren sich einig, dass Gesundheitsdaten schneller und in höherer Qualität für Forschung und Wissenschaft zugänglich gemacht werden müssen.

Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem Grußwort von Minister Clemens Hoch, der deutlich machte, dass der Einsatz digitaler Technologien die Art und Weise der zukünftigen Patientenversorgung nachhaltig verbessern wird. „Die strukturierte Erfassung, Auswertung und Vernetzung von Gesundheitsdaten bietet großes Potential für eine individualisierte medizinische Versorgung. So können etwa Diagnosen und Behandlungen noch präziser oder die Entwicklung innovativer Medikamente noch kürzer werden. Gleichzeitig gilt es, die Sicherheit und den Schutz dieser sensiblen Daten lückenlos zu gewährleisten“, so der Minister weiter. Er machte klar, dass der Digital Health Data Space des Instituts für digitale Gesundheitsdaten einen wichtigen Beitrag zu diesem Prozess leiste.

Den Einstieg in die Themenrunde übernahm Ministerialdirektor Daniel Stich mit seiner Keynote in der er aufzeigte, dass ein großer Pool an Gesundheitsdaten vorhanden ist. Es sei wichtig, dass die Daten zum Wohle aller so aufzubereiten, dass diese in Wissenschaft und Medizin weiter genutzt werden können. Stich stellte die Wichtigkeit und das Potenzial der Digitalisierung im Gesundheitswesen in den Fokus und zeigte die Bemühungen des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit in diesem Bereich auf.

In der darauffolgenden Keynote von Prof. Dr. Andreas Dengel, Leiter des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, wurde den Anwesenden ein Ausblick auf die Chancen und Potenziale von KI im Gesundheitswesen gegeben. Dengel erklärte, dass KI in der medizinischen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnt. Anhand der Analyse von Lebendzellen machte er deutlich, dass KI bei der Erstellung von Datenmaterial genutzt werden kann, um die Analyse des Bildmaterials zu vereinfachen. Darüber hinaus zeigte Dengel die Möglichkeiten durch den Einsatz von KI-Werkzeugen bei der Untersuchung von Multi- oder Co-Kulturen. Das Fazit seiner Keynote war, dass maschinelles Lernen neue Möglichkeiten eröffnet, bei der Generierung von Datensammlungen unterstütz, schnelle und genaue Vorhersagen treffen sowie effektive biomedizinische Analysen in großem Maßstab ermöglichen kann. Allerding wies er auch darauf hin, dass Entscheidungen durch KI transparent sein müssen, um eine breite Akzeptanz zu schaffen.

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Die erste Session der Veranstaltung thematisierte „Rahmenbedingungen und Plattformen“ für digitale Gesundheitsdaten. Durch die Session leitete Philipp Kachel, CIO des IDG.

Den ersten Vortrag der Session übernahm Peter Osburg von der Nationalen Koordinierungsstelle für Interoperabilität. Neben der Vorstellung der Roadmap des Interop Councils gab Osburg einen Überblick über die beteiligten Akteure. In seinem weiteren Vortrag machte er deutlich, dass Interoperabilität die Grundvoraussetzung für digitale Gesundheit ist. Durch Versorgung, Prävention und Forschung können die Daten erst auffindbar, zugänglich, anschlussfähig und wiederverwendbar gemacht werden. Hierfür müssen Datensilos aufgebrochen und der Fokus auf die Anwender der Daten sowie die Patienten, die ihre Daten bereitstellen, gerichtet werden.

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Danach stellte Prof. Dr. Hans-Ulrich Proskosch vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg die BZKF Real World Daten Integrationsplattform des Bayerisches Zentrums für Krebsforschung vor. Als Hintergrundinformation lieferte Prof. Proskosch Informationen zum Aufbau des Bayerischen Zentrums für Krebsforschung sowie dem MII und dem Deutschen Forschungsdatenportal für Gesundheit (FDPG). Die Real World Daten Integrationsplattform soll als Vorarbeit für das FDPG verstanden werden und eine föderierte Datenbasis für verteilte Auswertungen und verteiltes Maschinelles Lernen schaffen. Ein weiteres Ziel ist es, dass die Daten auch zur Unterstützung von Therapieentscheidungen in molekularen Tumorboards genutzt werden.

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Prof. Dr. Juliane Fluck vom ZB MED - Informationszentrum für Lebenswissenschaften beschäftigte sich als Sprecherin von NFDI4Health in ihrem Vortrag mit den Services und Angeboten der nationalen Forschungsdateninfrastruktur für personenbezogene Gesundheitsdaten. Dr. Fluck verdeutlichte anhand der Vision von NFDI4Health, dass Daten als gemeinsames Gut für exzellente Forschung bereitgestellt werden sollen, sodass die NFDI Nutzungsmöglichkeiten von Daten verbessern, rechtskonforme, interoperable und nachhaltige Dateninfrastrukturen schaffen und die Kompetenz im Umgang mit Daten stärken kann. In ihrem Vortrag zeigte Dr. Fluck, dass es eine heterogene, sehr umfangreiche Datenlage gibt, die aber oftmals nur lokal verfügbar und erst nach Einwilligung von Teilnehmenden an Studien oder nach der Beantragung von Datennutzung zugänglich ist.

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In der anschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Sprecher einig, dass Datensilos aufgebrochen werden müssen, um die vorhandenen Chancen für die Interoperabilität zu nutzen. Ein großer Mehrwert wird hier dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz zugeschrieben, um gespeicherte Daten zeitnah nutzen und verarbeiten zu können, ohne langwierige Freigabeprozesse durchlaufen zu müssen.

In der zweiten Session waren „Strukturen und Datenschutz“ das zentrale Thema. Hier lag der Fokus auf der Frage, wie der Spagat zwischen dem Schutz der Patientendaten und der Verwendung für die Forschung und Wissenschaft gelingen kann.

Zu Beginn der Session stellte Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz Ansätze zur Vereinbarkeit von Forschung und Datenschutz vor. Neben gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz machte Prof. Kugelmann auch auf die Risiken aufmerksam, die bei der Datennutzung und Verarbeitung entstehen können. Dabei wies er darauf hin, dass durch die Instrumente des Datenschutzes, wie die Zweckbindung der Datennutzung, das Vertrauen und die Akzeptanz in die Datenverarbeitung gestärkt werden können.

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Ein Praxisbeispiel für die Nutzung von Gesundheitsdaten bot Dr. Leonor Heinz. Projektleiterin der Koordinierungsstelle der Initiative Deutscher Forschungspraxennetze – DESAM-ForNet. Nach kurzer Vorstellung der Projektbeteiligten zeigte Dr. Heinz wie das Zusammenspiel von Hausarztpraxen mit Universitätsmedizinen funktionieren kann und welche besonderen Herausforderungen hieraus für die optimale Behandlung der Patienten entstehen. Anhand von Praxisbeispielen verdeutlichte sie, wie wichtig der Zugriff und die Nutzbarkeit der Daten aus den Hausarztpraxen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten ist und dass die notwendigen Netzwerke und Infrastrukturen zur Datennutzung unabdingbar sind.

Den Schlussvortrag der Session übernahm Herr Markus Hies vom Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz. Im Vortrag stellte er das Projekt „Einheitliche EDV-Plattform für den ÖGD in Rheinland-Pfalz“ vor, mit dem Ziel die Steigerung der digitalen Reife des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Rheinland-Pfalz voranzutreiben. Auf Grundlage der Förderprogramme des Bundes im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ soll das Projekt mit einer Laufzeit von zwei Jahren einheitliche Arbeitsweisen und einheitliche EDV-Strukturen in Gesundheitsämter schaffen, die digitale Kommunikation verbessern sowie Echtzeitmeldeverfahren ermöglichen.

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Innerhalb der Diskussionsrunde wurde durch die Referenten verdeutlicht, dass der Schutz der Daten der Betroffenen und Patienten einen hohen Stellenwert hat, die Nutzbarkeit der Daten für Wissenschaft und Medizin hievon aber nicht beeinträchtigt werden sollte. Weiterhin wurden die oftmals langwierigen Entscheidungsprozesse innerhalb der Politik angemerkt, die eine zeitnahe Datennutzung und Verarbeitung oft erschweren. Die Referenten waren sich einig, dass die Rechte der Patienten zum Schutz ihrer Gesundheitsdaten gewährleistet sowie die Nutzung der Daten für wissenschaftliche und medizinischen Fortschritt gegeben sein muss.

In der dritten Session „KI in der Anwendung und innovative Projekte“ wurden dann vier konkrete Fallbeispiel von aktuellen Projekten präsentiert, die gerade in der Entwicklung sind oder bereits im Alltag angewendet werden.

Eröffnet wurde die Session von Dr. Gregor Duwe, der an der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig ist sowie das KITTU- Projekt koordiniert. In seinem Vortrag präsentierte er das Potential von KI in der Onkologie am Beispiel des Projekts KITTU. In diesem Projekt wird ein KI-Assistenzsystem entwickelt, welches die Therapie von Tumorpatienten in der Urologie ab der Diagnose begleitet. Das Ziel des Assistenzsystems ist es Ärztinnen und Ärzten vorhandene Handlungsoptionen aufzuzeigen und sie bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Danach präsentierte Dr. Eric Rietzke, Senior Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, das von ihm geleitete SPELL-Projekt. Das Projekt verfolgt das Ziel, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Krisensituationen schneller und situationsgerecht Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Nothilfe und Versorgung der Bevölkerung einzuleiten. Dazu wird aktuell eine Plattform entwickelt, die Daten, Wissen und Prozesse aus den verschiedensten Quellen und Bereichen zusammenführt und vernetzt. Die Plattform soll zukünftig Entscheider und Leitstellen bei der Einschätzung der Situation und der Maßnahmenfindung unterstützen. Als Betreiber des Großteils der Leitstellen in Deutschland wird das Deutsche Rote Kreuz über den DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. das System später bundesweit ausrollen.

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Im Anschluss stellten Heiko Merten und Robert Groever das globale Programm Dataland des Arzneimittelherstellers Boehringer Ingelheim vor. Dataland dient dem Zweck, Daten aus den verschiedensten Bereichen unternehmensweit auffindbar, verfügbar, interoperabel und wiederverwendbar zu machen. Neben der Plattform selbst, arbeitet das Team daran die Unternehmenskultur stärker zu einer datengestützten Denkweise zu transformieren. Dafür hat Boehringer Ingelheim eine eigene globale Data Science Academy gegründet, die Mitarbeiter bei diesem Prozess unterstützen soll.

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Im letzten Vortrag des DHDS präsentierten Dr. Jessica Vasseur und Jens Göbel von der Arbeitsgruppe „Data Collection & Provision“ des Instituts für Medizininformatik der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsklinikum Frankfurt wie Sie sich für die Verbesserung der Versorgung von seltenen Krankheiten einsetzen. Dazu gibt es am Institut eine Reihe von unterschiedlichen Projekten. Ein Beispiel ist der SE-Atlas, ein Versorgungsatlas für Menschen mit seltenen Erkrankungen, der einen Überblick über die unterschiedlichen Versorgungsmöglichkeiten gibt. Darüber hinaus führt das Institut mehrere Register zu diesen Erkrankungen.

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Auf dem Digital Health Data Space wurde deutlich, dass es auch in Deutschland bereits viele Akteure und Initiativen gibt, die das Ziel verfolgen, das Potenzial von Gesundheitsdaten noch stärker zu entfalten. „Eines der Ziele der Veranstaltung war es, bereits bestehende Bemühungen im Bereich der digitalen Gesundheit zu vernetzen und die verschiedenen Expertinnen und Experten näher zusammen zu bringen“, erklärte Antje Swietlik, Geschäftsführerin des Instituts für digitale Gesundheitsdaten. „Wir sind überwältigt von der Resonanz und der Leidenschaft, die die Teilnehmenden und Referenten gezeigt haben", ergänzte Philipp Kachel, CIO des Unternehmens.